Search

AfD-Parteitag in Kalkar: Meuthen sieht keine „Corona-Diktatur“ - WELT

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen hat die Mitglieder seiner Partei aufgefordert, sich klar von Krawallmachern und Provokateuren in den eigenen Reihen zu distanzieren. Mit Blick auf die von AfD-Abgeordneten eingeladenen dreisten Besucher im Bundestag mahnte er am Samstag auf dem Bundesparteitag in Kalkar: „Wir werden nicht mehr Erfolg erzielen, indem wir immer aggressiver, immer derber, immer enthemmter auftreten.“ Da derartige Vorkommnisse auch auf viele AfD-Wähler abschreckend wirkten, sei es falsch, sich mit Parteimitgliedern zu solidarisieren, die sich „in der Rolle des Provokateurs gefallen“.

Die Politik der Bundesregierung in der Corona-Pandemie und der Kurs von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seien zwar nicht angemessen „und schon gar nicht verhältnismäßig“. Dies dürfe man auch mit deutlichen Worten kritisieren. „Aber ist es wirklich klug, von einer ,Corona-Diktatur‘ zu sprechen?“, fragte Meuthen die mehr als 500 Delegierten im Saal. „Wir leben in keiner Diktatur, sonst könnten wir diesen Parteitag auch heute wohl kaum so abhalten“, fügte er hinzu.

Alexander Gauland, der Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, kritisierte Meuthens Rede anschließend im Interview mit dem TV-Sender Phoenix. In der Rede habe es „zu viel Verbeugung vor dem Verfassungsschutz“ gegeben, sagte Gauland. Teile davon halte er für „spalterisch“. Gauland selbst hatte den Begriff „Corona-Diktatur“ im Bundestag benutzt. Über diesen Begriff könne man streiten, sagte er nun in Kalkar. Meuthen habe mit seiner Rede aber insgesamt, wie die Reaktionen im Saal gezeigt hätten, „vor den Kopf gestoßen“.

Lesen Sie auch
Die Protestaktion der AfD gegen das neue Infektionsschutzgesetz wurde von eingeschleusten Störern auf den Parlamentsfluren völlig überschattet
AfD in der Krise

Der zweitägige Parteitag hatte am Samstag begleitet von kleineren Protestaktionen begonnen. Die Delegierten wollen unter anderem ein Rentenkonzept verabschieden. Zudem hat die Partei mit ihrer Fundamentalkritik an den staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen ein neues Thema gefunden. In seiner Auftaktrede kritisierte der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Er warf ihr vor, eine „reine Konkurspolitik“ zu betreiben. Existenzen würden vernichtet, die Pleitewelle rolle bereits, der Pandemiekurs werde viele Menschen den Arbeitsplatz kosten.

Chrupalla verteidigte, dass die AfD in der Corona-Pandemie einen Präsenzparteitag abhält. Solche Veranstaltungen seien unverzichtbar in der Demokratie, sagte er. „Wenn wir uns von einem Virus in die Schranken weisen lassen, hat die Demokratie schon verloren.“ Zugleich appellierte Chrupalla an die Delegierten, das Hygienekonzept einzuhalten. „Tragt eure Masken, haltet Abstand“, sagte er. Die Delegierten sollten den Parteitag „nicht durch leichtsinniges Verhalten beschädigen“.

Angekündigt wurde die Veranstaltung als Sozialparteitag. Denn neben einem Konzept für ein Rentensystem soll es auch um die Frage gehen, wie die AfD zum Grundeinkommen steht. Ein Änderungsantrag sieht beispielsweise vor, dass deutsche Staatsangehörige, die im Inland leben, monatlich ein Grundeinkommen in Höhe von 500 Euro erhalten sollen, während Ausländer weiterhin nur nach einer Bedürftigkeitsprüfung Sozialleistungen bekommen sollten.

Die Polizei berichtete von einer friedlichen Demonstration

Rund 500 Gegner der AfD demonstrierten in Kalkar gegen den Parteitag. Zu der Kundgebung hatte das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ aufgerufen, und Bundestagsabgeordnete fast aller Parteien meldeten sich auf der Kundgebung zu Wort. Die Polizei berichtete am Vormittag von einem friedlichen Verlauf der Veranstaltung. Für Demonstranten wie auch für die Delegierten gilt überall Maskenpflicht. Das Ordnungsamt hatte angekündigt, auch in der Halle zu kontrollieren, ob das behördlich genehmigte Hygienekonzept für die Veranstaltung umgesetzt wird. Die Stadt Kalkar hat angekündigt, den Parteitag andernfalls abzubrechen.

Damit Delegierte, die aufgrund eines ärztlichen Attests von der Maskenpflicht befreit sind, leicht identifiziert werden können, tragen sie nach Angaben eines Sprechers farbige Namensschilder. Ein Foto der Nachrichtenagentur Reuters zeigte am Samstagmorgen mehrere Mitarbeiter des Ordnungsamts bei einer Kontrolle in der Halle. Eine Klage der AfD gegen die Vorgabe, auch am Sitzplatz Mund-Nasen-Schutz zu tragen, war nicht erfolgreich.

Mitarbeiter des Ordnungsamts in der Halle in Kalkar
Mitarbeiter des Ordnungsamts in der Halle in Kalkar
Quelle: REUTERS

Auf dem Parteitag müssen zudem zwei Posten im Bundesvorstand neu besetzt werden. Der langjährige Schatzmeister Klaus Fohrmann war im Januar zurückgetreten. Dem Beisitzer und früheren Brandenburger Landeschef Andreas Kalbitz hatte der AfD-Bundesvorstand im Mai die Mitgliedschaft aberkannt, weil er bei seiner Aufnahme frühere Mitgliedschaften bei der rechtsextremen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) und den Republikanern verschwiegen haben soll. Die Nachwahlen sind für Sonntag vorgesehen.

Als mögliche Kandidaten wurden zuletzt unter anderem Birgit Bessin aus Brandenburg und der Europaparlamentarier Maximilian Krah aus Sachsen gehandelt. Carsten Hütter, der vor dem Rücktritt von Fohrmann stellvertretender Schatzmeister war und die Finanzen der Partei aktuell kommissarisch verantwortet, will diese Aufgabe dem Vernehmen nach dauerhaft übernehmen.

„AfD auf dem Weg zu einer weiteren Radikalisierung“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht die AfD auf dem Weg in die Radikalisierung. „Der unverblümte Antisemitismus des zum thüringischen Landesvorsitzenden wiedergewählten Björn Höcke, die rassistische Gesinnung vieler AfD-Anhänger, die mit einigen Abgeordneten einen verlängerten Arm ins Parlament haben, die Solidarisierung mit Extremisten auf der Straße, die unseren Staat und seine Organe verächtlich machen und auch vor Straftaten nicht zurückschrecken, die Tabubrüche im Bundestag – ich bin überzeugt, dass die AfD auf dem Weg zu einer weiteren Radikalisierung ist“, sagte Herrmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und plädierte für eine entsprechende Reaktion des Verfassungsschutzes.

Let's block ads! (Why?)

Artikel von & Weiterlesen ( AfD-Parteitag in Kalkar: Meuthen sieht keine „Corona-Diktatur“ - WELT )
https://ift.tt/37dO729
Deutschland

Bagikan Berita Ini

0 Response to "AfD-Parteitag in Kalkar: Meuthen sieht keine „Corona-Diktatur“ - WELT"

Post a Comment

Powered by Blogger.