Der Streit um die "Wutrede" von Parteichef Meuthen offenbart einmal mehr die tiefe Spaltung der AfD, meint Kai Küstner. Der Machtkampf dürfte in den nächsten Monaten nun noch erbitterter ausgetragen werden.
Ein Kommentar von Kai Küstner, ARD-Hauptstadtstudio, zurzeit Kalkar.
Wenn ein kleines Kind sich gut mit sich selbst beschäftigen kann, dann wird es gern für seine Reife gelobt. Wenn aber eine politische Partei sich mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den Sorgen ihrer Wähler, wird ihr das erbarmungslos als kindisches Verhalten ausgelegt. Genau das bekommt gerade die im Umfragetief befindliche AfD zu spüren.
Und kann doch nicht aus ihrer noch einigermaßen jungen Haut: Wie schon so oft in diesem Jahr lieferte die Partei live und vor laufenden Kameras den anschaulichen Beweis dafür, dass es die AfD als geschlossene Partei nicht gibt. Ziemlich genau in der Mitte gespalten, gibt es sie eigentlich zwei Mal: als "Alternative für Deutschland" und als "Alternative zur Alternative" sozusagen.
Angriff und Gegenangriff
Das wurde in der Debatte über die "Wutrede" von AfD-Chef Jörg Meuthen überdeutlich. Meuthen hatte die Parteirechte - und auf die zielte er - mit seinem Überraschungsangriff an Tag 1 zunächst auf dem falschen Fuß erwischt. Das Lager um Rechtsaußen Björn Höcke brauchte eine Nacht, um sich zu sammeln. Und holte dann doch an Tag 2 zum Gegenangriff aus.
Was folgte, war im Freizeitpark "Wunderland" des Örtchens Kalkar eine ebenso wundersame wie erbitterte Debatte über das Verhalten des Parteichefs. Die ein erschöpfter Delegierter schließlich mit den Worten zusammenfasste: "Nachdem wir nun zwei Stunden lang die Chance genutzt haben, uns deutschlandweit zu blamieren, bitte ich um 15 Minuten Pause."
Gespalten in allen maßgeblichen Fragen
Dass es in der AfD zu diesem Frontalzusammenstoß der zwei Parteilager kommt, ist kein Zufall, sondern hat schon fast die Macht eines Naturgesetzes. Denn der Riss, der mitten durch die Partei verläuft, spaltet die AfD seit Jahren und offenbart sich in sämtlichen, inhaltlich maßgeblichen Themen.
Beispiel Corona: Während die einen das Virus durchaus ernst nehmen, biedern sich die anderen bei den Leugnern an und wollen sich auch die Wut der sogenannten "Querdenker" zunutze machen. Beispiel Rente: Das Meuthen-Lager will, in neoliberaler Tradition, eigentlich komplett auf private Vorsorge setzen, das Höcke-Lager will den fürsorgenden Staat und an der deutsche Rentenversicherung nichts ändern.
Eine Art 50/50-Partei
Und, vielleicht am entscheidendsten: Während Meuthen dem Verfassungsschutz möglichst wenig Angriffsfläche bieten möchte und die AfD als "bürgerliche Partei" sieht, setzen dessen Gegner auf Fundamental-Opposition und halten das Etikett "Rechtsaußen" nicht unbedingt für einen Makel. Mit anderen Worten: Die beiden Lager wollen im Grunde gänzlich unterschiedliche Parteien. Dass diese beiden weit gespreizten Flügel in etwa gleich stark zu sein scheinen, die AfD also eine Art 50/50-Partei ist, macht die Dinge nicht einfacher.
Jedenfalls erscheint es unter diesen Umständen so gut wie unmöglich, den Wählerinnen und Wählern vorzugaukeln, man gehe geschlossen in das Wahljahr 2021. Und Parteichef Meuthen? Der redet gern davon, dass er ein Schachspieler sei, der Züge des Gegners vorausahnen könne. Doch ihn politisch matt zu setzen, daran dürften seine Gegner jetzt erst recht arbeiten. Ob das gelingt, ist offen; derzeit sieht es eher nach einem Patt aus. Unübersehbar ist jedoch, dass die AfD in einer Art Dauerpartie gefangen ist - und zwar gegen sich selbst.
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