Proteste gegen die Corona-Politik – wieder einmal ganz nah bei denen, die sie verantworten. Während Abgeordnete am Mittwoch über den Infektionsschutz debattierten, protestierten Tausende in unmittelbarer Nähe zum Deutschen Bundestag. Wegen zahlreicher Verstöße löste die Polizei die Kundgebung auf.
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
"Die Mischung heute war ähnlich wie bei den letzten Demos. Es gab Esoteriker, Friedensbewegte – oder so nennen sie sich zumindest –, es gab die Antisemiten, die mit "Ungeimpft! "-Judenstern herumrennen. Es gab Rechtsextreme, die klar als solche zu erkennen waren und andere, die sich etwas besser versteckt haben. Es gab AfD-Politiker, es gab die klassische verschwörungsideologische Gruppe. Also da war eigentlich alles heute dabei und es wurden alle möglichen seltsamen Vergleiche gezogen. Es gab Plakate mit Gandhi. Es gab aber auch Plakate, wo Merkel mit Hitler verglichen wurde."
Zu viele Demonstranten hielten sich nicht an Abstandsregeln und Maskenpflicht. Deshalb erklärte die Polizei die Veranstaltungen schon am Mittag für beendet. Zuvor seien Beamte mit Flaschen, Steinen und Böllern beworfen worden, sie reagierten mit Pfefferspray und Festnahmen.
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
"Auf dem Weg vom Hauptbahnhof zur Demonstration gab es eine kleine Gruppe, wo ein Mann dann die Polizisten oben auf der Brücke vom Bundestag sah und hochschrie, warum sie denn die Hexe Merkel beschützen würden und nicht das Volk. Der hatte keine Nazisymbole an sich oder sonstiges. Aber so war die Stimmung: schon bevor man überhaupt in der großen Gruppe war, war man schon so geladen. Das fasst es eigentlich ganz gut zusammen."
Mehr als 2000 Polizisten waren in Berlin im Einsatz. Mit Wasserwerfern drängten diese die Demonstranten schließlich immer weiter zurück Richtung Brandenburger Tor.
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
"Also sie haben keinen starken Wasserstrahl eingesetzt, sondern eher so eine Art Nieselregen, um Leute abzuschrecken. Sie haben ab und an mal jemand rausgezogen. Aber selbst wenn jemand aus der Menge sie geprügelt hat, haben sie sich geschützt, aber die Leute nicht sofort verhaftet."
Die Beamten hatten Mühe, sich durchzusetzen. Auch Stunden nachdem Veranstalter und Polizei die Versammlung für beendet erklärt hatten, weigerten sich Menschen, den Platz des 18. März zu räumen.
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
"Man muss sagen, dass die Polizei diesmal ein weitaus besseres Konzept hatte als bei den letzteren Malen, das auch soweit funktioniert hat. Sie hat eben bestimmte Bereiche schützen können. Es ist niemand an den Bundestag herangekommen bislang. Sie haben aber trotzdem eine gewisse Zurückhaltung walten lassen und haben eben nicht die Leute niedergeknüppelt und haben eben auch diesen Wasserstrahl sehr gezielt eingesetzt."
Zwölf Versammlungen direkt an Bundestag und Bundesrat, in den sogenannten befriedeten Bezirken, hatte das Bundesinnenministerium im Vorfeld untersagt. Das Gelände war weiträumig abgesperrt.
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
"Es wurde eigentlich extra die Geschäftsordnung des Bundestages geändert, damit eben nicht AfD-Abgeordnete oder Abgeordnete anderer Parteien Demonstrationsteilnehmer mit in den Bundestag nehmen können und diese Gästeregelungen sozusagen kurzzeitig außer Kraft gesetzt. Tatsächlich haben es AfD-Abgeordnete aber dennoch geschafft, Leute in den Bundestag zu holen, die dann wiederum Abgeordnete anderer Fraktionen belästigt haben."
Trotz ungebetener Gäste und lauten Protesten vor der Tür: am Nachmittag verabschiedeten Bundestag und Bundesrat die Reform des Infektionsschutzgesetz. Bundespräsident Steinmeier unterzeichnete sie am Abend. Die Reform soll die Maßnahmen zum Schutz vor Corona auf eine sichere rechtliche Grundlage stellen. Proteste wird es aber wohl weiterhin geben. Denn es geht einigen offenbar um mehr.
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
"Also das ist eine sehr kleine laute Minderheit, die da heute auf der Straße war, die ganz offensichtlich das Ziel hat, die Demokratie zu verändern und zu beschädigen. Und das ist natürlich gefährlich, wenn die so einen Gruppengefühl entwickeln können und dann eben auch merken, dass sie bestimmte Dinge erreichen und sie sich gegen die Regeln, gegen die Anstandsregeln, gegen das Masken tragen durchsetzen können, ohne eben direkte Konsequenzen zu verspüren, außer dass sie den Platz verlassen müssen."
0 Response to "Corona-Proteste in Berlin: »Es gab Esoteriker, Friedensbewegte, Antisemiten und Rechtsextreme« - DER SPIEGEL"
Post a Comment