Politiker stürzen meist nicht über ihre Fehler, sondern über die Art, wie sie damit umgehen. So ist es nun auch Lorenz Caffier (CDU) ergangen, dem dienstältesten Innenminister der Bundesrepublik. Am Dienstagnachmittag hat er die Konsequenz aus einem Waffenkauf Anfang des Jahres 2018 gezogen. Der Verkäufer: ein Mann, den Ermittler seit 2019 zum Umfeld der rechtsextremistischen Gruppe »Nordkreuz« zählen – und der bis dahin als Ausbilder von Spezialeinsatzkommandos bei Polizeibehörden im In- und Ausland respektiert war.
Caffier stand stets klar gegen Rechts
Seit 2006 hatte Caffier das Amt in Mecklenburg-Vorpommern inne, einem Land, in dem die NPD über Jahre im Landtag vertreten gewesen ist, ehe die AfD 2016 ihre Rolle als Rechtsaußen übernahm und zweitstärkste Fraktion im Schweriner Schloss wurde. Dass die Rechtspopulisten die CDU überholen konnten, lag auch an Caffier – und es ist ihm, so paradox dies klingen mag, als Verdienst anzurechnen: Nie ist er der Versuchung erlegen, aus wahltaktischen Motiven dem rechten Rand der Wählerschaft rhetorisch gefallen zu wollen oder dem nationalistischen Affen auf andere Art Zucker zu geben.
Im Gegenteil: Lorenz Caffier hat gegen Rechte aller Art immer klare Kante gezeigt. Er war es, der das NPD-Verbotsverfahren gegen vielerlei Widerstände juristischer oder politischer Art vorantrieb, weil er nicht zulassen wollte, dass Nazis in deutschen Parlamenten sitzen und so von jenem Staat alimentiert werden, den sie abschaffen wollten. Caffier war es auch, der schon 2007 den Versuchen der NPD, die Feuerwehren in Mecklenburg-Vorpommern zu unterwandern, einen Riegel vorschob, indem er den Wehrführern als Ehrenbeamten verfassungsfeindliche Aktivitäten und die Verbreitung verfassungsfeindlichen Gedankenguts per Erlass untersagte.
Dass ausgerechnet er jetzt wegen eines Waffenkaufs bei einem Mann fällt, dessen Verbindungen in rechte Kreise erst später sichtbar wurden, hat tragische Züge. »Es verletzt mich zutiefst und ist für mich eine extrem große Belastung, dass in der Berichterstattung irgendeine Nähe zu rechten Kreisen suggeriert wird«, schrieb Caffier in seiner Rücktrittserklärung. »Ich kann diesen Vorwurf nur in aller Schärfe zurückweisen. Er ist schlicht absurd.«
Unsägliche Unterstellungen der Linken
Vielleicht hat Caffier auch deshalb so unsäglich lange gezögert einzugestehen, was er gleich nach den ersten Meldungen über die Verbindungen des Waffenhändlers in die rechte Szene, spätestens aber nach den ersten Anfragen von Journalisten, hätte öffentlich machen müssen: Dass er »eine Waffe bei jemandem erworben« hat, »bei dem ich sie aus heutiger Sicht nicht hätte erwerben dürfen«. Womöglich hat er geahnt und gefürchtet, dass Leute wie Niema Movassat, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, über seine Kommunikationsfehler Unsägliches sagen würden: »Menschen, die Drohungen von Nazis bekommen, müssen darauf vertrauen, dass Regierungsmitglieder nicht mit Nazis paktieren.«
Dass dann auch noch Torsten Koplin, Landesvorsitzender der Linkspartei im Mecklenburg-Vorpommern, der zu DDR-Zeiten als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi in Jugendklubs herumgespitzelt hat, »Zweifel an der Eignung in der Amtsführung« Caffiers anmeldete und von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) forderte, den Innenminister zu entlassen, dürfte dessen Entscheidung zurückzutreten, mit erleichtert haben.
Es war dann ausgerechnet Mathias Brodkorb (SPD), ehemals Finanzminister von Mecklenburg-Vorpommern, Mitbegründer des Nachrichtenportals »Endstation Rechts«, und in der rot-schwarzen Koalition oft der Antipode Caffiers, der das »Schauspiel einer parteipolitischen Unappetitlichkeit«, als das kritisierte, was es ist: »schäbig«. Soviel Anstand war in den letzten Tagen selten.
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