Bund und Länder haben länger miteinander gerungen als erwartet. Bundeskanzlerin Merkel sagte am Montagabend in Berlin: „Wir haben gemeinsam festgestellt, dass durch die Oktober-Beschlüsse eine Trendumkehr noch nicht erreicht ist.“ Aber die Dynamik der Neuinfektionen sei gebrochen worden. Von der Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern sei man aber noch „ein großes Stück entfernt“.
Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, sei gut, sagte Merkel. Das „absolute Minimum an Kontakten“ sei zu gewährleisten, keine privaten Feiern mehr, Kontakt nur mit einer festen anderen Familie, lautet der Appell. Die Bundeskanzlerin gab sich aber auch etwas hoffnungsvoll: Es sei ein „sehr gutes Zeichen“, dass es jetzt bereits einen zweiten Impfstoff gegen die Pandemie gebe.
Um die gestiegenen Infektionszahlen auch bei den über 65 Jahre alten Menschen einzugrenzen, will der Bund auf Basis einer von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu erlassenden Rechtsverordnung von Anfang Dezember an für vulnerable Gruppen in Pflegeheimen, Senioren- und Behinderteneinrichtungen gegen eine geringe Eigenbeteiligung 15 FFP2-Masken pro Person abgeben. Wer zu den vulnerablen Gruppen gehört, soll der Gemeinsame Bundesausschuss festlegen.
Der bayerische Ministerpräsident stimmte die Menschen in Deutschland auf eine Verlängerung und weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen über das Monatsende hinaus ein. „Ich habe wenig Hoffnung, dass Ende November alles wieder gut ist“, sagte Söder. Man müsse die Maßnahmen deshalb „lieber verlängern statt vorzeitig abzubrechen“. „Im Zweifel müssen wir auf Sicherheit setzen.“ Die Neuinfektions-Zahlen begännen zu stagnieren, sagte Söder, hob gleichwohl aber hervor: „Es reicht noch nicht.“ Ziel müsse sein, die Zahl Richtung 50 zu senken, um Infektionsketten nachverfolgen und ein diffuses Geschehen verhindern zu können. Söder kündigte konkrete Beschlüsse für kommende Woche an. Er fügte hinzu, um das Weihnachtfest mache er sich fast weniger Sorgen als um Silvester. „So richtig vorstellen mag ich mir nicht, dass wirklich große Skiferien wieder stattfinden.“
Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen an Schulen wurde vertagt. „Bund und Länder werden auf der nächsten Konferenz darüber beraten, wie Ansteckungsrisiken im Schulbereich in Hotspots reduziert werden können“, erklärte Merkel. Das nächste Gespräch ist nach Angaben der Bundeskanzlerin für den 25. November geplant.
Wechselmodell für Schulen unbeliebt
Der Bund hatte zuvor verschärfte Maßnahmen an Schulen vorgeschlagen, wie eine Maskenpflicht für alle Schüler und Lehrer auch im Unterricht und eine Halbierung der Klassen. Damit konnte er sich zunächst aber nicht durchsetzen. In dem Beschluss von Bund und Ländern heißt es nun, verlässliche Betreuung diene der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bildung sei essentiell für die Zukunftschancen der jungen Generation. „Deshalb genießt die Offenhaltung von Einrichtungen im Präsenzunterricht in diesem Bereich mit hohem Infektionsschutzniveau eine wichtige politische Priorität.“
Die Kultusminister sind geschlossen gegen ein Wechselmodell, wie es noch am Montagmorgen in der Beschlussvorlage stand, und verweisen auf fehlende Lehrer, um es umzusetzen. Nach den Erfahrungen des Sommers wissen sie auch, dass Wechselmodelle, bei denen jeweils eine Hälfte der Klasse mit Aufgaben zu Hause beschäftigt und die andere im Präsenzunterricht betreut wird, die soziale Kluft zwischen den Kindern mit guten Lernbedingungen und denen, die womöglich nicht einmal digitale Endgeräte haben, vergrößern. An vielen Schulen gibt es die nötige digitale Ausstattung nicht. Grundschüler hätten auch nichts davon, weil sie in den ersten Klassenstufen nicht lesen können.
Hinzu kommt, dass der Lernstoff im Grunde halbiert werden müsste. Der stellvertretende Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Joachim Stamp (FDP), hatte das Kanzleramt auf Twitter direkt angegriffen und fragte: „Wo kommen die doppelten Lehrerinnen und Lehrer für diesen Vorschlag her? Wie weit weg ist das Bundeskanzleramt von unseren Kindern und Familien?“ Der Widerstand gegen den ersten Beschlussvorschlag, der auf Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) zurückgeht, kam vor allem von den nördlichen Ländern, die deutlich niedrigere Infektionszahlen haben als zum Beispiel Bayern. Die Nordländer wollten sich nicht von Bayern in einen Lockdown zwingen lassen. Denn die Halbierung von Klassen wäre im Grunde gleichbedeutend mit einer Schulschließung. Die Lehrerverbände werben gleichwohl für das Wechselmodell.
„Die Verunsicherung in den Familien ist riesig, wenn jeden Tag neu über Schulschließungen und Wechselbetrieb, also de facto eine Teilschließung, diskutiert wird“, hieß es einer Erklärung der Elterninitiative „Familien in der Krise“. Gebraucht würden flexible Lösungen, die vollen Präsenzunterricht für alle Kinder bei gleichzeitigem kindgerechten Infektionsschutz möglich machten. „Weitere Bildungslücken, eine steigende Chancenungerechtigkeit und eine extreme Belastung aller Familien, die beim Wechsel in den ,Hybridunterricht‘ vorprogrammiert wären, dürfen wir uns als Gesellschaft für unsere Kinder nicht leisten.“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verwies am Montagabend auf die enormen Belastungen für die Schüler, die all diese Maßnahmen mit großer Gelassenheit mittrügen.. In Hotspots müsse man darüber nachdenken, ob das „Offenlassen auf Biegen und Brechen“ die einzig mögliche Reaktion sei. Söder gab zu erkennen, dass er für die älteren Schüler durchaus an eine „Entzerrung im Unterricht“, also ein Wechselmodell denkt. Bayern habe eine Maskenpflicht an Grundschulen, die er für sinnvoll halte. „Es geht nicht nur bei der Schule darum, ob sie offen oder zu sei, sondern auch, was in der Schule passiert“. Es würden jetzt klare Vorgaben für ganz Deutschland gebraucht und es könne nicht sein, dass der Leistungsdruck womöglich erhöht werde, weil die Schule in naher Zukunft geschlossen werden könnte. „Dies wird auch kein normales Schuljahr werden, aber es muss ein faires sein mit guten Abschlussbedingungen und deshalb muss auch Flexibilität im Schulalltag wichtig sein“, sagte Söder. Eine Planungssicherheit für ein ganzes halbes Jahr hält er für unmöglich, wohl aber für eine längere Zeit bis zum Jahresende.
Wie weiter mit Restaurants und Kultur?
Die Frage, ob Restaurants, Kultureinrichtungen oder Fitnessstudios im Dezember wieder aufmachen können, blieb unbeantwortet. Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder fassten dazu bei ihrem Gespräch über das weitere Vorgehen am Montag keine Beschlüsse. Offiziell gilt weiterhin die Aussage der letzten Beratungen der Kanzlerin mit den Länderchefs von Ende Oktober, dass die Schließung der Einrichtungen in Kultur, Unterhaltung und Gastronomie bis Ende November befristet sein sollen.
Allerdings hatte etwa Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bereits in der „Bild am Sonntag“ wenig Hoffnungen gemacht und gesagt, er sehe für das Öffnen von Restaurants und Kinos wenig Spielraum. Merkel sagte nach den Beratungen am Montag lediglich, man sei durch das Schließen bestimmter Einrichtungen im Freizeitbereich aus dem exponentiellen Wachstum herausgekommen, und man müsse nun darüber sprechen, ob man das zum 1. Dezember alles wieder öffnen könne oder nicht. Im gemeinsamen Beschlusspapier von Bund und Ländern vom Montag wird das Thema nicht erwähnt.
Der Regierende Bürgermeister Berlins Michael Müller (SPD) kritisierte, dass das Kanzleramt „sehr kurzfristig mitunter Papiere erarbeitet“ habe, dafür gebe es auch Gründe. Aber es müsse auch die Möglichkeit geben, dass die Länder sich darüber ausführlich beraten. „Das in Schalten um 23 Uhr machen zu müssen und am Montagfrüh geht es dann gleich weiter, dient oft auch der Sache nicht“, so Müller. Es werde eine Beschlussvorlage der Länder geben, die untereinander sowie mit dem Bund abgestimmt werden soll.
Um nach der Zulassung weiterer Impfstoffe möglichst rasch mit dem Impfen beginnen zu können, sollen die Länder Impfzentren und Impfstrukturen vorhalten. Zur besseren Koordinierung sollen die Länder dem Bund bis Ende November melden, mit wie vielen durchführbaren Impfungen pro Tag sie planen. Die Corona-Warn-App, die bislang knapp 23 Millionen Mal heruntergeladen wurde, soll weiterentwickelt werden. In den kommenden sechs Wochen soll die App drei Updates erhalten, mit denen unter anderem der „Warnprozess vereinfacht“ werden soll. Das Ziel von Bund und Ländern bleibt, die Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern pro Woche nicht zu überschreiten. Andernfalls ließen sich die Überforderungen des Gesundheitssystems nur noch durch Beschränkungen vermeiden, die umso einschneidender und länger dauerten, je später sie in Kraft träten. Es sei „ethisch nicht vertretbar, hohe Infektionszahlen hinzunehmen“, heißt es in dem Beschluss von Bund und Ländern.
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